Kunstgeschichtshausarbeit „Raus aus der Kathedrale: Was die Kunstgeschichte von Software lernen kann“

Ich musste im vergangenen fünften Semester insgesamt drei Hausarbeiten schreiben, weswegen ich eine schon während des laufenden Semesters beginnen wollte, um auch ja rechtzeitig fertig zu werden – Oma Gröner läuft halt nicht mehr so schnell – und das war diese hier. Das heißt, ich hatte bei ihr nicht den konzentrierten Luxus, den ich bei den beiden Geschichtshausarbeiten hatte, die ich nach Vorlesungszeitende schrieb: Ich hatte noch Seminare, musste Hausaufgaben machen und für die Klausuren lernen, und dann schrieb ich zwischendurch eben noch eine dicke Hausarbeit, las bergeweise Bücher, schrieb wieder, las bergeweise Aufsätze, schrieb und las und schrieb und wusste bei den ganzen Ablenkungen zum Schluss nicht mehr, ob das total toll oder total mies war, was ich produziert hatte.

Diesen Punkt des Zweifels erreiche ich irgendwann bei jeder Arbeit, weil ich schließlich jeden Satz 800 Mal gelesen, korrigiert und nochmal gelesen und nochmal korrigiert habe – ich sehe ab einem gewissen Zeitpunkt den Sinn vor lauter Buchstaben nicht mehr und kann qualitativ nicht mehr einschätzen, was ich da lese. Aber bei der hier war ich besonders verwirrt, vor allem, weil ich noch das Feedback meiner sechs Reviewer*innen habe einfließen lassen und daher nochmal über alles gegangen bin.

Scheint aber ganz okay geworden zu sein, wenn ich mir die Mail des Dozenten anschaue, die gestern abend kam:

„Eine solche Note habe ich, glaube ich, noch nie vergeben, musste mich aber fragen, ob ein Argument dagegen spricht. Vielmehr möchte ich Sie fragen, ob ich diesen Text verwenden darf, um ihn anderen Studierenden als vorbildliches Muster für Aufbau und Bibliographie weiterzugeben.“

Darf der Dozent natürlich. Das kleine Fünftsemester ist sehr geschmeichelt.

Zum Inhalt: Mein Referatsthema lautete schlicht „Software“. Anstatt Computergeschichte nachzuerzählen, habe ich im Referat versucht, die vielen Möglichkeiten aufzuzeigen, in denen Software in der Kunstgeschichte (oder der Kunst) zum Einsatz kommt. Ich begann natürlich mit den (haha) Basics, erzählte von Closed-Source-Software und dem Weg zu Open Source, erwähnte Die Kathedrale und der Basar und wandte einige der dort erwähnten Prinzipien zur Softwareproduktion auf die Kunstgeschichte an. Mein Hauptaugenmerk lag auf dem kollaborativen Arbeiten; ich erwähnte Beispiele wie Madison, ARTigo oder das Brooklyn Museum, das sich über Hinweise von Besuchern freut anstatt großkotzig darüberzustehen, was der Pöbel will. („… and we welcome any additional information you might have.“)

Ich sprach über Clay Shirkys Publish first, filter later, über Open Access, über die vergrößerte Sichtbarkeit und bessere Korrigierbarkeit von Texten in e-Books und Blogs und erwähnte meine eigene Hausarbeit, die in den ersten zehn Tagen nach Veröffentlichung beachtliche 230 Mal heruntergeladen wurde – und ich behaupte, ich habe nicht unbedingt viele Kunsthistoriker*innen unter meinen Leser*innen. Ich sprach über Jeff Koons‘ Instagram-Account (der inzwischen arg leergefegt aussieht), dass Vorzeichnungen von Gemälden quasi Betaversionen seien und dass heute alles im Fluss sei – wie auch bei Software, die nie fertig wird und stets ein Update bekommt.

Aus diesem Sammelsurium wünschte sich der Dozent eine Arbeit über die veränderten Publikationsmöglichkeiten für Kunsthistoriker*innen. Das ist sicherlich kein speziell kunstwissenschaftliches Thema – auch die Naturwissenschaft arbeitet mit Open Access –, aber für mich persönlich war es sehr reizvoll, sich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen, gerade weil ich eine Freundin des Teilens bin, des offenen und unbeschränkten Zugangs zu Informationen und des Austauschs von Wissen. Und nebenbei habe ich viel über Computer- und Softwaregeschichte gelernt. (Das zitierte Buch von Walter Isaacson – The Innovators: How a Group of Inventors, Hackers, Geniuses and Geeks Created the Digital Revolution – liest sich übrigens wie geschnitten Brot, auch aus feministischer Perspektive.)

Hatte ich schon auf Twitter erledigt, aber hier noch mal der Dank an meine Reviewer*innen, die mir sehr geholfen haben.

Enjoy. Mach’s gut, fünftes Semester.

(1,0. Sehr glücklich.)

Geschichtshausarbeit „Heimat ist überall. Der Heimatbegriff in Weblogs und auf Instagram“

Das Semesterende nähert sich, die ersten Noten treffen ein. (YAY!)

Mein Kurs „Heimat“ in der modernen Welt war mein Vertiefungskurs in Neuer und Neuester Geschichte. Als kleines Nebenfach muss ich nur zwei der drei großen Epochen abdecken, was in meinem Fall heißt: Ich ignoriere die arme Antike und kümmere mich um Mittelalter und eben die neue Geschichte.

Im Heimatkurs haben wir uns mit den verschiedenen Bedeutungen, die dieses Wort haben kann, auseinandergesetzt. Zunächst lasen wir verschiedene Texte aus mehreren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, und einige Wochen später kamen dann unsere Referate dran. Dazu sollten wir uns zu Gruppen zusammentun und uns ein Thema ausdenken. Frau Gröner knurrte innerlich, denn Gruppenarbeit kann ich überhaupt nicht leiden. Ja, das ruiniert garantiert den ersten Eindruck in der Bewerbung, wenn man sich als teamunfähig outet, aber wenn ich irgendwas in meinen diversen Lebensjahrzehnten gelernt habe, dann: TEAM – Toll, Ein Anderer Macht’s. Ich sitze lieber alleine vor meinen Büchern; wenn’s eine gute Note wird, ist alles meins, und wenn’s eine schlechte wird, erst recht. Netterweise traf ich auf zwei Kommilitoninnen, die auch eher Einzelkämpferinnen sind, und so überlegten wir uns ein Oberthema, das wir getrennt voneinander bearbeiten konnten.

Dass wir uns ein Thema selbst überlegen sollten, kannte ich auch noch nicht: Normalerweise zücken die Dozierenden in der ersten Stunde eine schöne, saubere Liste mit schönen, sauberen Themen, um die wir uns dann kloppen. Hier war die Ansage: „Denken Sie sich was aus, Sie haben ja anhand der Texte der letzten Wochen einige Ansatzpunkte sammeln können.“ Und wo ich innerlich dachte, super, jetzt reden fünf Teams über Ostpreußen, durfte ich (natürlich) feststellen, dass dem nicht so war, der Dozent total recht hatte und ich, wie immer, keine Ahnung.

Die Gruppen beschäftigten sich zum Beispiel mit so unterschiedlichen Dingen wie dem Asylverfahren in der Bundesrepublik, der Geschichte des Staates Israel, dem Max-Frisch-Fragebogen zu Heimat, einem Eurodistrikt in der Nähe von Straßburg, dem ständig umherreisenden Fußballtorwart Lutz Pfannenstiel, und unsere Gruppe referierte über „Heimat in der medialen Vermittlung.“ Meine Mitstreiterinnen erzählten etwas über den deutschen Heimatfilm nach 1945 und brasilianische Volksmusik, und ich guckte mir an, wie oder ob Heimat im Internet stattfindet.

Die Arbeit dazu hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich hätte gerne doppelt so viel Platz gehabt. Die vielen Forschungspositionen zu diesem fies-schwammigen Begriff konnte ich gefühlt nur streifen bzw. in die Fußnoten packen, damit die Arbeit nicht noch länger wird. Auch zu Weblogs und Instagram hätte ich deutlich mehr schreiben können, von der Medienart an sich bis zu ihrer Nutzung und Rezeption. Die Belege zu Weblogs fand ich sehr putzig: Anstatt einfach in jede Fußnote zu schreiben „Ich bin Anke, ich blogge seit 2002, ask me anything“, musste ich gucken, wie andere diese Bewegung empfunden haben und sie zitieren. Über Instagram gibt es noch so gut wie keine wissenschaftliche Literatur; kein Wunder bei einer App, die es erst seit 2010 gibt, aber dass ich gerade mal zwei amerikanische Aufsätze von 2014 und 2015 fand, die ich nutzen konnte, erstaunte mich dann doch. Gerade in der Kunstgeschichte müssten wir uns doch um das Ding reißen: Die Filter als Kunstimitation, das Selfie als neue Porträtgattung und natürlich generell die Sujets, die abgebildet werden und sich von bisherigen Bildmotiven unterscheiden. Oder nicht? Ich persönlich würde gerne eine Linie von niederländischen Stillleben des Barock zu #Foodporn ziehen, aber ich habe leider keine Zeit. (Im Master dann.)

Lange Rede, kurze Arbeit: hier ist sie.

Die Gesamtnote des Kurses ist 1,2 – das setzt sich aus der Hausarbeit, der Klausur und dem Referat zusammen. Die Einzelnoten habe ich noch nicht, aber gefühlt war die Arbeit meine beste Leistung. Bis ich was vom Dozenten höre, kann ich also nur raten, ob es meine Lieblingsnote geworden ist.

Learning by doing

Die letzten acht Wochen habe ich quasi am Schreibtisch gelebt. Neben mir meine Teekanne, anfangs mit Assam, dann mit Ostfriesentee, neuerdings mit Earl Grey darin, das Milchkännchen, meine japanische Teeschale. (Irgendwann werde ich grünen Tee mögen, aber jetzt gerade findet in der Schale halt ein kleiner culture clash statt. Sie scheint nichts dagegen zu haben.) Eine Vase mit Blumen links von mir. Direkt vor mir mein MacBook Air. Und auf dem kompletten Rest des Tisches: Bücher, Bücher, Bücher, Stifte, Textmarker und Post-its in verschiedenen Farben, mein Moleskine, in das ich während der Vorlesungen und Seminare schreibe, Karteikarten, auf die ich das Geschriebene verkürzt bzw. sortiert übertrage und mit denen ich lerne, noch mehr Bücher, noch mehr Karteikarten. Ende Januar habe ich sieben Klausuren geschrieben, im Januar selbst meine erste Hausarbeit, während ich noch Uni hatte, im Februar und bis gestern in der vorlesungsfreien Zeit zwei weitere Hausarbeiten. Der Abgabetermin ist der 5. bzw. für zwei Arbeiten der 15. März, aber ich bin jetzt mit allem durch und packe gerade den Koffer für Hamburg. Nach acht Wochen habe ich zum ersten Mal Zeit, richtig Luft zu holen und zu gucken, wie es mir geht.

Mir geht es hervorragend.

Die Wochen vor den Klausuren waren sehr anstrengend, aber gleichzeitig fand ich es großartig zu merken, wie ich inzwischen akademisch arbeite. Allmählich ist ein Rhythmus da, allmählich kommt eine gewisse Routine, was den Ablauf von Lernen und Hausarbeitenschreiben angeht. Und nach fünf Semestern kommen auch im Minutentakt die Querverbindungen, die mich von Anfang an so fasziniert haben, dieses „Hey, davon habe ich in Kunstgeschichte schon gehört“, wenn in Geschichte ein Thema aufpoppt und umgekehrt. Allmählich wird aus den vielen Einzelteilen, die ich hier vorgesetzt bekomme, ein Ganzes. Oder wenigstens ein Teil eines Ganzen, den ich überblicken und an den ich einen anderen Teil anlegen kann. Allmählich öffnet sich vor mir die, Achtung, jetzt wird’s pathetisch, aber ich habe sehr viel Tee intus, ganze klare Schönheit von Geschichte und Kunst, von den Verknüpfungen, die sie miteinander und durcheinander entwickeln und denen ich jetzt nachspüren darf. Bei jedem Buch, das ich jetzt lese oder überfliege, bleibt irgendwas hängen, weil inzwischen ein Raster da ist, in dem etwas hängenbleiben kann. Bei jedem neuen Thema ist ein winziger Referenzpunkt da, auf den ich zurückgreifen kann und der mich weiterträgt. In jeder Kirche habe ich andere Kirchen vor Augen, bei jedem Bild, das ich anschaue, tauchen andere auf. Ich sehe Mode anders an, Theaterkostüme, Werbeplakate. Ich schaue teilweise nicht mehr inhaltlich, sondern nach Struktur, Farbe, Aufbau, Bedeutungen, Referenzen, Möglichkeiten, das Gesehene einzuordnen, in mein Raster zu packen, es im Kopf zu behalten, weil ich weiß, dass ich es noch mal brauchen werde. Um mich herum ist auf einmal so viel Schönheit, die ich vorher nicht gesehen habe, weil ich anders auf meine Welt geschaut habe. Und auf meinem Nachtisch stapeln sich Bücher, die ich vor zwei Jahren nicht mal in die Hand genommen hätte.

Mich schrecken wissenschaftliche Texte nicht mehr, sie fordern mich heraus. Und wenn ich einem erliege, greife ich zu einem anderen, den ich erobern kann. Irgendeiner wird mir schon sagen, was ich wissen will, denn ich will so viel mehr wissen als noch vor zweieinhalb Jahren im ersten Semester. Mit jedem Einzelteil, das ich einordne, merke ich, wieviele noch fehlen, und wenn ich genug Tee trinke (und meine neu eingestellte Medikation so gut weiterfunktioniert wie jetzt gerade), werde ich sie alle aufsammeln.

Ich werde weiter Bücher lesen, Texte schreiben, Karteikarten beschriften, Moleskines nachkaufen. Ich will noch nicht, dass das aufhört, was mir in den letzten acht Wochen so unglaublich viel Freude bereitet hat und mir eine ungeheure Befriedigung und einen tiefen Frieden verschafft hat. Zu wissen, ich stehe morgens auf, um nichts anderes zu tun als zu lesen, zu schreiben und zu lernen, davon zu profitieren, was andere vor mir gelesen, geschrieben und gelernt haben, hat mich so glücklich gemacht wie selten etwas anderes. Es ist ein anderes High als Fußballjubel oder Opernglück oder bei Sonnenuntergang auf die Elbe oder die Isar zu gucken oder im Arm des Lieblingsmenschen einzuschlafen. Es ist ein High, das ganz alleine aus mir kommt. Ich alleine sitze hier und lese und schreibe und lerne. Ich alleine gehe in die Bibliothek und fussele wahrscheinlich viel zu lange an Fußnoten rum oder an der richtigen Formulierung für die Kapitelüberschriften der Hausarbeit. Ich alleine mache das. Ich kann das. Und ich will das. Ich will das so sehr, dass ich darüber Treffen mit Freunden vergesse oder Wein nachzukaufen oder mal wieder in die Arena zu gehen. Ich will hier nur sitzen und lesen und schreiben und Tee trinken. Ich habe noch keine Noten für meine drei Arbeiten (ich habe auch erst zwei abgegeben), aber selbst wenn das keine Einsnullen werden, auf die ich natürlich hoffe, weiß ich, dass ich alles dafür getan habe, dass es Einsnullen werden könnten. Ich habe über Fußnoten und Kapitelüberschriften nachgedacht, weil ich das gerne tue und nicht, weil ich es muss. Und so richtig klar ist mir das erst in den letzten Wochen geworden, als ich merkte, wie wenig ich vermisse, wenn ich am Schreibtisch sitze, neben mir die Teekanne und die Blumen. Ja, es wäre perfekt, wenn der Lieblingsmensch und ich in einer Stadt wären, aber was ist schon perfekt. Und dieser Schreibtisch hier mit dem MacBook und den Büchern darauf – das ist schon verdammt nah dran.

Absätze und Fußnoten, die es wegen Zeichenbeschränkung nicht in die Software-Hausarbeit geschafft haben

Ein weiteres Problem von Softwaregeschichte ist die Vergänglichkeit des Subjekts. Durch die äußerst dynamische Entwicklung des Computers veränderte sich Software sehr oft und sehr schnell; viele der ersten Betriebssysteme und Programme sind für uns heute verloren, und selbst wenn wir sie besitzen, sind sie für uns unzugänglich, weil die Hardware für sie nicht mehr existiert. Emulatoren können die Programme zwar simulieren, aber sie vermitteln nicht das unmittelbare Erlebnis, das ein Computernutzer oder eine -nutzerin vor einem halben oder dreiviertel Jahrhundert hatte.[1] Die Aura des Originals, die gerade der Kunstgeschichte so wichtig ist, bleibt verloren.[2]

[…]

Aber auch wenn über den Computer bzw. über Software noch keine eindeutige Geschichte mit einer definierten Zielrichtung geschrieben werden kann, ist klar, dass beides die Welt verändert hat.[3] Historiker und Historikerinnen sind meist vorsichtig mit dem Begriff der Revolution; auch Michael S. Mahoney nutzte ihn in seinem Essay bewusst nicht.[4] Stattdessen wies er darauf hin, dass der Begriff der Revolution gerne die Kontinuität von Ereignissen ignoriere, bei der eine Entwicklung einer vorausgegangenen folge.[5]

Der Technikjournalist Walter Isaacson schreckte hingegen vor dieser Vokabel nicht zurück. Er beschrieb in The Innovators (2014) ein scheinbares Paradoxon, das für ihn Teil einer digitalen Revolution ist: Ein Arbeitsgerät, das für einen einzelnen User geschaffen wurde, wurde durch das Internet – einer Infrastruktur aus Hard- und vor allem Software – Teil eines weltumspannenden Netzwerks. Dieses machte aus einzelnen viele User und schuf damit erstmals die Möglichkeit, fast unbegrenzt und in sehr kurzer Zeit weltweit kreative Ideen und Wissen auszutauschen.[6]

[…]

Diese Befehle bezeichnen wir heute als Software.[7]

Software ist, im Unterschied zu Hardware, ein nicht-physischer Funktionsbestandteil eines Computers.[8] Nicht nur das Betriebssystem, auch die Programme werden als Software bezeichnet (System- bzw. Anwendungssoftware).[9] Beide Arten von Software liegen hauptsächlich in zwei Versionen vor: als Quellcode (source code) sowie als Binärcode (binary code). Der Quellcode wird in Programmiersprachen geschrieben und ist für Menschen verständlich und lesbar. Durch einen Compiler[10] wird er für den Rechner in Binärcode übersetzt, der von Menschen kaum mehr lesbar ist, dafür aber vom Computer verstanden wird.[11]

Für eine der ersten Programmiersprachen (FORTRAN, 1957 entwickelt) hatte der Compiler vor allem eine Aufgabe: einem bestimmten Rechner möglichst viele Informationen möglichst effizient zu vermitteln. Im Laufe der folgenden Jahre änderte sich diese Stoßrichtung: Bereits zu Anfang der 1960er Jahre lag der Schwerpunkt von Compilern darauf, maschinenübergreifend Informationen lesbar zu machen. Das heißt, ein Programm konnte auf unterschiedlichen Rechnern laufen und war nicht mehr an einen bestimmten Hardwaretyp gebunden.[12]

In den 1960er und 1970er Jahren entstanden verschiedene Arten von Programmiersprachen und Systemsoftware, die das gleiche Ziel hatten: rechnerübergreifend zu arbeiten. Sie kamen vor allem aus der Universität von Berkeley, Kalifornien, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie den kommerziellen Forschungszentren von AT&T in New Jersey (Bell Laboratories bzw. Bell Labs) und Xerox in Kalifornien (Palo Alto Research Center bzw. Xerox PARC).[13] In den Bell Labs entstanden sowohl die Programmiersprache C als auch das Betriebssystem UNIX, das in C programmiert wurde.[14]

1. Vgl. zu diesem Absatz Mahoney, Michael Sean: „What Makes the History of Software Hard“, in: IEEE Annals of the History of Computing 30, Ausgabe 3 (2008), S. 8–18, hier S. 14.
2. Vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Berlin 2010, S. 15/16.
3. Selbst die Teile der Welt, in denen Computer noch kein gängiges Arbeits- oder Unterhaltungsmittel sind. So schreibt Thomas J. Misa: „In today‘s global economy, a country or region that might entirely lack access to computing still has a relationship with the computer-mediated global economy through trade and travel, even if it is entirely frozen out of such trade.“ Vgl. Misa, Thomas J.: „Unterstanding ‚How Computing Has Changed the World‘“, in: IEEE Annals of the History of Computing 29, Ausgabe 4 (2007), S. 52–63, hier S. 53.
4. Vgl. Mahoney 2008, S. 10: „The main problem with the revolutionary or impact model is that it attributes agency to the computer as if it had a nature of its own that it could impose on subjects or activities to which it is applied, that is, as if the computer in and of itself had the power to transform those activities.“
5. Vgl. Mahoney 2008, S. 10.
6. Vgl. zu diesem Absatz Isaacson, Walter: The Innovators. How a Group of Hackers, Geniuses, and Geeks Created the Digital Revolution, New York 2014, S. 32 von 894 (e-Book).
7. Laut Leimbach 2010, S. 8, gibt es bis heute keine „eindeutige, internationale Definition, was Software ist und was sie umfasst“. Leimbach zählt auch die Dokumentation sowie die Bedienungsanleitung eines Programms zu Software, vgl. Leimbach, Timo: Die Geschichte der Softwarebranche in Deutschland. Entwicklung und Anwendung von Informations‐ und Kommunikationstechnologie zwischen den 1950ern und heute, München 2010, ebd..
8. Meine Definition von Software beschränkt sich, im Gegensatz zu der Leimbachs, vgl. die vorherige Fußnote, auf den simplen Unterschied zwischen den fassbaren und den unfassbaren Teilen eines Rechners und folgt von Engelhardt, Sebastian: „Die ökonomischen Eigenschaften von Software“, in: Jenaer Schriften zur Wirtschaftswissenschaft 14 (2006), S. 1–21, hier S. 1.
9. Diese Unterscheidung existiert seit der Mitte der 1950er Jahre. Die Trennung in zwei Arten von Software ermöglichte es erstmals, einen Computer für unterschiedliche Aufgaben zu nutzen. Die Systemsoftware übernimmt die Grundfunktionen des Rechners, während Anwendungssoftware für einzelne Aufgaben bestimmt ist. Vgl. Mahoney, Michael Sean: Histories of Computing, Cambridge/Mass. 2011, S. 21., S. 82/83.
10. Neben reinen Binär- und Quellcodes gibt es Mischformen wie z. B. Pseudo-Code, ein Quellcode, der ohne einen Compiler zu Binärcode wird, vgl. das Linux Dictionary im Linux Documentation Project, http://www.tldp.org/LDP/Linux-Dictionary/html/p.html [zuletzt abgerufen am 9.2.2015].
11. Vgl. zu Quellcode und Binärcode von Engelhardt 2006, S. 1.
12. Vgl. zu Compilern und ihren Zielen Mahoney 2011, S. 81/82.
13. Vgl. Lerner, Josh/Tirole, Jean: „Some Simple Economics of Open Source“, in: The Journal of Industrial Economics 50, Ausgabe 2 (2002), S. 197–234, hier S. 200/201.
14. So gut wie alle Programmiersprachen, die noch heute die Basis für System- und Anwendungssoftware bilden, wurden vor 1975 entwickelt, vgl. Mahoney 2011, S. 79.

Hausarbeit „Datierungsprobleme in der Kunstgeschichte am Beispiel der Abtei Frauenchiemsee“

Hier ist meine zweite 1,0er-Hausarbeit, dieses Mal in Kunstgeschichte. Leider habe ich noch kein fundiertes Feedback vom Dozenten, das trage ich eventuell nach. Edit: Dozent: „Diese Arbeit hat mir große Freude gemacht und sie geht weit über das Erwartbare hinaus.“

Die niedlichen 15.000-Zeichen-Hausarbeiten tippe ich meist in drei, vier Tagen, lasse sie dann gegenlesen, korrigiere dran rum, lasse sie einen Tag liegen, korrigiere noch mal dran rum (jaja, ich weiß), und dann gebe ich sie ab. Bis jetzt habe ich nie länger als anderthalb Wochen Zeit für eine Hausarbeit gebraucht, auch weil meine Vorarbeit im Referat immer schon sehr gründlich war. Das war dieses Mal anders; an dieser Arbeit habe ich fast vier Wochen rumgeknabbert.

Schon das Referat hatte mich einiges an Schweiß gekostet, und die Hausarbeit war auch nicht ganz ohne, vor allem weil sie die erste mit 30.000 Zeichen war. Das kleine Viertsemester ist nämlich seit dem SoSe quasi im Hauptstudium und damit ein großes Viertsemester. Im Referat konnte ich zum Beispiel nicht auf die Malereien in der Kirche und der Torhalle eingehen, weil ich schlicht keine Redezeit mehr hatte; deswegen wollte ich das in der Hausarbeit episch ausbreiten. Dummerweise merkte ich schnell, dass ich wieder Probleme hatte, dieses Mal mit der Zeichenzahl. Denn während ich im Referat die simple Frage beantworten konnte: Ist die Abteil zweifelsfrei datiert – nö, wollte ich in der Hausarbeit schon etwas fundierter rangehen. Deswegen kam ich auf die Möglichkeiten, die wir als KunsthistorikerInnen haben, um Werke zu datieren: nach schriftlichen Quellen, stilkritisch (also durch Vergleiche mit anderen, datierten Werken), mit Hilfe der Naturwissenschaften und so weiter. Das hieß, ich musste alle diese Möglichkeiten belegen bzw. auf Frauenchiemsee beziehen, und damit war die Arbeit auf einmal lang genug. Ich glaube, meine Korrekturfee hat mir achthundertmal das Wort „leider“ aus der Arbeit und den Fußnoten gestrichen, weil ich mehrfach jammernd anmerkte, dass ich wieder keine Zeit für die Malereien vor allem in der Torhalle hatte, obwohl sie einzigartig und damit, verdammt noch mal, echt erwähnenswert sind.

Außerdem verfranzte ich mich erstmals komplett in der Sekundärliteratur. Ich fand immer noch ein Buch und noch einen Aufsatz, aus dem ich noch eine Erkenntnis ziehen konnte, die die Arbeit noch länger machte. Einen Vormittag lang habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, gleich auf 60.000 Zeichen und damit auf Bachelorarbeitslänge zu gehen, weil ich die locker vollgekriegt hätte. Dann hätte ich zwar eine, wie ich glaube, supertöfte BA-Arbeit, aber für diesen Kurs noch keine Hausarbeit gehabt, und das hatte dann doch Priorität. Trotzdem glaube ich, dass man der Arbeit an manchen Stellen anmerkt, dass hinter den Seiten eine kleine, dicke Frau sitzt, die hysterisch mit den Fingern schnippst und quengelt, dass sie noch viel mehr weiß.

Die Arbeit zu Grimald war die erste , bei der ich das Gefühl hatte, eine wissenschaftliche Erkenntnis erlangt zu haben, die so noch nicht in der Literatur vorgekommen ist. Diese Arbeit hingegen hat mir klargemacht, welchen Weg ich in der Kunstgeschichte gehen möchte. Ich will in der Architektur bleiben und mich vor allem im Bereich der digitalen Kunstgeschichte weiterbilden. Und wo ich es in den ersten Semestern sehr genossen habe, alle Kurse wild durch die Gegend zu belegen, ohne Rücksicht auf Epochen, Werke oder Herangehensweisen, fühlt es sich jetzt gerade sehr gut an, endlich zu wissen, wo mein voraussichtlicher Schwerpunkt in der Bachelorarbeit und im Masterstudium liegen wird.

Ich habe sehr viel Herzblut in diese Arbeit gesteckt und bin sehr froh darüber, dass sie die Note bekommen hat, die ich haben wollte. Frauenchiemsee, du alte Hippe. Wenn ich wieder bei dir bin, zünde ich der seligen Irmengard erstmal eine Kerze an.

Hausarbeit „Grimald von St. Gallen: Staats- oder Gottesmann?“

Der hübsche Titel da oben ziert das Deckblatt meiner Hausarbeit im Geschichts-Basiskurs Mittelalter, auf die ich meine erste 1,0 bekommen habe. In Referaten oder als Gesamtnote von anderen Kursen hatte ich das vorher schon hingekriegt, aber unter meinen Hausarbeiten stand bis jetzt immer 1,7 oder 1,3. Jetzt nicht mehr, ha!

Das Feedback meiner Dozentin: „Eine in Konzeption, Durchführung, in der Auswertung von Literatur und Quellen und nicht zuletzt sprachlich exzellente Arbeit.“ Vulgo: kann man machen.

Ich habe mich über die Note sehr gefreut, denn bei dieser Arbeit hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, wissenschaftlich zu arbeiten bzw. mir wirklich eine Frage zu beantworten, die so noch nicht gestellt wurde. Das klingt so simpel, aber in den ersten Semestern hatte ich bei den Hausarbeiten und Referaten immer das Gefühl des Nacherzählens, das heißt, ich gab gefühlt nur wieder, was schon andere vor mir erforscht hatten und brachte es, wenn’s hoch kommt, in eine neue Reihenfolge. Das war dieses Mal nicht so. Ich erinnere mich an den Moment in der Bibliothek des Historicums, als ich das zweite Zwischenfazit unter 4.3 tippte und quasi beim Schreiben merkte, dass mir gerade eine Erkenntnis gelungen war, die ich so noch nicht in der Literatur gelesen hatte. Ich hätte gerne genau in diesem Moment einen Sekt geköpft, aber ich hatte nur meine olle Wasserflasche dabei. Also lehnte ich mich zurück, genoss den Augenblick, tippte hektisch weiter und gab die Arbeit mit wahrscheinlich leuchtend roten Öhrchen ab, weil ich so stolz auf sie war.

Den Sekt habe ich dann aufgemacht, als ich die Note online in meinem Transcript of Records entdeckt hatte. Und heute abend mache ich noch einen auf, denn meine Dozentin fragte mich bei der Rückgabe der Arbeit, ob ich Interesse an einer Hiwi-Tätigkeit hätte: „Sie scheinen ein Talent für die wissenschaftliche Arbeit zu haben.“ Zweitkarriere, here I come.

Wer die Arbeit zu Grimald lesen möchte – bitteschön. Eine Winzigkeit hatte meine Dozentin angemerkt: Auf Seite 11 spreche ich vom Ulmer Vertrag und belege das in Fußnote 80 – da hätte ich die genaue Urkunde über diesen Vertrag anführen können anstatt Sekundärliteratur. Und in der Literaturliste sind zwei Ungenauigkeiten, die lasse ich mal so stehen. Wer immer diese Arbeit klaut, hat sie dann auch, nänänä.

PS: Wie immer hat auch Frau Kaltmamsell ihren Beitrag zu dieser Arbeit geleisten, denn sie ist seit vier Semestern meine treue Korrekturleserin und weist mich gerne auf Gedankengänge hin, die nur ich verstehe.

German Sales 1930–1945. Art Works, Art Markets, and Cultural Policy

Meine letzte Hausarbeit im Wintersemester 2013/14 war die aus dem Provenienzkurs in Kunstgeschichte. Ich erwähnte es im Blog bereits mehrfach: In der ersten Semesterwoche lag ich krank im Bett, weswegen ich in der zweiten Woche nur noch die Referatsthemen übernehmen konnte, die von der ersten Sitzung übriggeblieben waren. Das hat sich manchmal als Glückstreffer herausgestellt – hier war es mehr so mittel. Mein Thema war nämlich eine Datenbank, in der sich digitale Auktionskataloge aus den Jahren 1930 bis 1945 befinden. Darüber konnte ich zwar hübsch was erzählen und vor allem am Rechner zeigen, wie man die Datenbank benutzt und wie toll das ist, wenn man die daraus gewonnenen Daten mit anderen Datenbanken verknüpft, aber für eine Hausarbeit mit 15.000 Zeichen fand ich das Thema doch recht undankbar und spröde. Wenn ich schon zehn Seiten schreibe, will ich dabei auch was lernen. (Und Spaß haben.)

Also habe ich mich an weitere Referatsthemen erinnert: zum einen die Gesetzgebung, die spezielle für die jüdische Bevölkerung ersonnen wurde und zum anderen der Kunstmarkt im „Dritten Reich“. Über beide Themen kann man ganze Dissertationen schreiben; ich habe sie auf wenige Seiten runtergebrochen, um die Datenbank und ihre Bedeutung historisch einordnen zu können. Das scheint das gut geklappt zu haben: Ich habe eben die Note für die Hausarbeit in unserem fancy System entdeckt, in dem alle Noten rumstehen, und es ist eine schöne 1,3 geworden. Enjoy.

Zwei Hausarbeiten

Wochenende – Zeit für ein bisschen Bildung. Anbei findet ihr meine ersten beiden Hausarbeiten, die ich in Kunstgeschichte geschrieben habe, denn Wissen ist schließlich für alle da.

Die erste Hausarbeit heißt „Andacht, Repräsentation und Erinnerung: Drei Bildwerke Memlings und ihre Funktion“. Auf diese Arbeit habe ich eine LAUSIGE 1,7 bekommen, was ich vor allem einem nicht vorhandenen Abbildungsverzeichnis zu verdanken habe. Ich habe mich natürlich brav an alle Angaben zur Erstellung einer Hausarbeit gehalten, die die Uni mir ans Herz gelegt hat, aber dort stand die verführerische Formulierung „Abbildungen können mitgeliefert werden“ (Hervorhebung von mir), was für mich hieß: Sie müssen nicht. Und meine Dozentin ist ja klug und weiß, worum’s geht, also lasse ich das. Hätte ich mal gefragt.

Zweiter Kritikpunkt waren fehlende biografische Angaben und zu kurze Bildbeschreibungen. Die Werke, um die es geht, findet ihr einerseits in meinem Blogeintrag zum Referat über das gleiche Thema (Diptychon des Maarten van Nieuwenhove sowie das Bildnis eines alten Ehepaars), andererseits hier, denn in der Arbeit spreche ich auch über Zwei Flügel mit den Bildnissen des Willem Moreel und der Barbara von Vlaenderberch.

Die zweite Hausarbeit trägt den schönen Titel „Der finale Bruch mit der Klassik: Alexander Archipenkos Schreitende Frau“ und findet sich hier. Sie hat ein fettes Abbildungsverzeichnis, total tolle biografische Angaben, eine irrwitzig ausführliche Werkbeschreibung – und wurde mit 1,3 benotet. WHAT DOES A GIRL HAVE TO DO? Hier gab es eigentlich nur einen richtigen Fehler, den ich gemacht habe: In der Einleitung spreche ich von „massiven“ Werken. Das ist bei Bronze natürlich Blödsinn; worauf ich hinaus wollte, waren Werke mit einer geschlossenen Oberfläche.

Viel Spaß beim Lesen. Ich hatte jedenfalls ne Menge Spaß beim Schreiben.