Das ehemalige Kloster Weihenstephan

Thema meiner Bachelorarbeit war digitale Architektur. Als Grundlage für meine Argumentation – digitale Architektur kann mehr sein als nur eine Abbildung von Gebäuden, nämlich u. a. durch Meta- und Paradaten ein Erkenntnisinstrument sowie eine völlig neue Bildgattung – diente mir eine Visualisierung des Klosters Weihenstephan, das 1803 im Zuge der Säkularisation größtenteils abgerissen wurde. Die Fachhochschule Weihenstephan, die zur TUM gehört, fertigte im Jahre 2003 eine 4D-Version der Klosteranlage an, die ich in der BA-Arbeit beschrieb.

Ich war zwar 2011 schon einmal auf dem Berg, aber ich wollte mir die Gebäude noch mal in Ruhe anzuschauen. Also das, was noch bzw. wieder in restaurierter Form steht. Der folgende Text ist ein leicht gekürzter und mit einigen launigen Anmerkungen versehener Ausschnitt aus meiner BA-Arbeit, die den Bau von 1803 beschreibt. Ich habe die Fußnoten gekillt; ihr müsst mir das jetzt mal glauben, dass ich alles, was da unten steht, belegen kann.

Weihenstephan ist ein Stadtteil der Großen Kreisstadt Freising, die circa 30 Kilometer nordöstlich von München liegt. Südwestlich der Stadt liegt die landschaftliche Erhöhung des Weihenstephaner Bergs. Auf ihm wurde von Bischoff Hitto (811–835) vermutlich kurz vor 834 die erste Kommunität an diesem Ort gegründet. Von 1021 bis zur Säkularisation 1803 bestand auf dem Berg ein Benediktinerkloster, von Beginn des 12. Jahrhunderts bis 1242 zusätzlich ein Nonnenkloster. 1803 wurden die Gebäude teilweise abgebrochen, teilweise (mit Unterbrechungen bis heute) für eine Forst-, Obstbaum- und Landwirtschaftsschule genutzt. Heute gehören sie größtenteils zur Technischen Universität München bzw. deren Wissenschaftszentrum für Ernährung, Landnutzung und Umwelt. Während andere Klöster nach der Säkularisation unter anderem in Kasernen oder Gefängnisse umgestaltet wurden, gelang es in Weihenstephan, die klösterlichen Garten-, Land- und Forstwirtschaften zu erhalten und die Arbeit in ihnen fortzusetzen.

Der Baubestand von 1803 wurde vor dem Teilabbruch vom kurfürstlichen Hofbauamt vermessen und im Bild festgehalten; für Weihenstephan ist ein (nicht genordeter) Plan des Freisinger Hof- und Stadtmaurermeister Thomas Heigl vom 14. September 1803 erhalten:

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Er zeigt eine noch geschlossene Einheit aus Kirche mit Konventsgebäuden und Kreuzgang, ein Hofareal mit Wirtschaftstrakten im Westen sowie Klostergarten und Korbinianskapelle im Osten. Kurz nach der Erstellung des Plans wurde die Korbinianskapelle abgebrochen, Ost- und Südflügel sowie Stephanskirche und Kreuzgang wurden vermutlich zwischen 1803 und 1810 bzw. kurz darauf abgerissen. Heute sind vom Baukörper von 1803 nur noch wenige Teile erhalten: der „völlig verunstaltete“ westliche Flügel, darin einige Gewölbearkaden des ehemaligen Kreuzgangs, die Keller sowie das Treppenhaus und der Dekanatssaal im Gästetrakt in der Verlängerung des ehemaligen Südflügels. Von der Korbinianskapelle stehen noch einige Mauerreste.

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Ansicht von Südosten. Screenshot der 4D-Visualisierung, liegt als CD-ROM Schegk 2003 bei (siehe Literaturliste am Ende dieses Blogeintrags).

Die gut neunminütige, als Film angelegte Visualisierung beginnt mit einer Übersicht über die Gebäude. Hier sind Kreuzgang, Konventbau und Kirche farbig markiert; im Westen davon befinden sich die Wirtschaftsgebäude, im Osten der Klostergarten mit Hospital, Noviziat und das freistehende Salettl. Bei der Schwarzweiß-Ansicht im Vordergrund gut zu sehen und in der farbigen durch Höhenlinien angedeutet: die Korbiniankapelle.

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Die Klostergebäude brannten in ihrer langen Geschichte mehrfach ab. Die ältesten, 1803 noch vorhandenen Gebäude wurden am 11. Juli 1305 eingeweiht; ihr Aussehen vor ihrer barocken Umgestaltung ist uns nicht bekannt.

Die Klosterkirche St. Stephan war eine dreischiffige romanische Basilika ohne Querhaus. Ein viereckiger Turm mit zweistöckigen gotischen Blendbogenarkaden und einem achteckigen Spitzdach überragte die Kirche. Der Bau war laut Sebastian Gleixner 59,32 Meter lang, 19,71 Meter breit und 14,29 Meter hoch. Laut Helene Trottmann war die Kirche 66 Meter lang, 21,50 Meter breit und 16 Meter hoch, Alfred Kaiser maß 60,10 Meter in der Länge und 19,60 Meter in der Breite. Alle drei Verfasser berufen sich bei ihren abweichenden Berechnungen auf die Angaben aus dem Heigl-Plan von „Länge 208 Schuh, Breite 68 Schuh und Höhe 50 Schuh“, die sich auch bei Gentner 1854 schon finden.

Der Kreuzgang, der sich südlich an die Stephanskirche anschloss, gehörte vermutlich zu den ältesten Teilen des Klosters, um den nach und nach Gebäude errichtet wurden; er umschloss eine Fläche von ungefähr 25 mal 26 Metern. Von ihm steht heute nur noch die Westseite, die drei anderen Seiten wurden abgerissen.

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In der Nordwestecke befand sich seit 1501 die Kreuzgangskapelle, deren Traufhöhe bis in den zweiten Stock reichte; möglicherweise bestand hier bereits ein Vorgängerbau. Zweistöckige Konventsgebäude umschlossen den Kreuzgang. Im Ostflügel lagen im ersten und zweiten Stock das Dormitorium sowie die Mönchszellen mit Platz für ungefähr 35 Männer; die Nutzung der Räume im Erdgeschoss ist unbekannt.

Im Erdgeschoss des Südflügels lagen Bediensteten- und Gästezimmer, die Küche, das Refektorium sowie ein großer Versammlungsraum, im ersten Stock ein weiterer großer Saal sowie ein Toilettenraum über der Küche. Weiterhin fanden sich hier die Zimmer der Bediensteten des Abtes. Im zweiten Stock, der vermutlich einen ähnlichen Grundriss hatte wie die beiden unteren Stockwerke, lagen weitere Gästewohnungen. Ein Gebäudevorsprung, der die Südfassade des Konventbaus mittig architektonisch auflockerte, trennte auch optisch die Bereiche, die für Konventsangehörige bzw. Gäste vorgesehen waren. In ihm befanden sich die Speisekammer sowie das sogenannte innere Küchenstübchen. In der Verlängerung des Südflügels nach Westen befanden sich weitere Gästezimmer sowie ein Gästespeisesaal – der heutige sogenannte Dekanatssaal.

Im Westflügel befanden sich die Abtswohnung mit eigenem Abtritt, Gästezimmer und die Kreuzgangskapelle, die der Abt direkt aus seinen Zimmern erreichen konnte. Im Erdgeschoss lagen die Klosterrichterei sowie ein Requisitengewölbe. Ein Glockenturm über einem Säuleneingang lockerte auch hier die sonst einheitliche Fassade auf. Er ging auf die kreuzgangabgewandte Seite, also nach Westen, hinaus.

Hier malerisch gegen die Sonne und mit TUM-Fähnchen fotografiert:

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Im direkten Anschluss an den östlichen Teil des Südflügels befand sich das Klosterkrankenhaus. Der rechteckige, ebenerdige Bau war vermutlich mit einem Walmdach gedeckt. Ein überdachter Gang aus Holz am Kreuzgarten entlang verband das Spital mit dem leicht nördlich versetzten, zweistöckigen Noviziat.

Eine hanghinabführende Treppe im Spital mit 84 Stufen führte direkt zur Korbinianskapelle, die sich leicht nördlich versetzt über der angeblich heilendes Wasser spendenden Korbiniansquelle erhob.

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Die Quelle gehört zu den ältesten Quellheiligtümern Bayerns, eine erste Kapelle über ihr wurde 1608 errichtet. Die nach 1803 abgebrochene Kapelle wurde nach einem Entwurf von Cosmas Damian und Egid Quirin Asam 1719 fertiggestellt und 1720 geweiht. Die Korbinianskapelle war ein barocker Rundbau mit niedrigem Sockel, der durch ionische Halbsäulenpaare in acht gleiche Abschnitte unterteilt war. Über dem eckigen Hauptportal befand sich ein Rundbogenfenster, neben ihm waren ebenfalls zwei halbrunde Fenster angebracht. Der Eingang sowie die Fenster waren eventuell mit Stuck versehen. Die Säulenpaare trugen ein Stuckgesims, an das sich eine mit Rundfenstern versehene Attika anschloss. Über ihr befand sich eine Kuppel mit einer Laterne.

Heute stehen nur noch Ruinen der Kapelle:

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Zusätzlich zum Kreuzgarten besaß der Konvent noch einen in barocken Formen gestalteten Klostergarten, der sich im Ostteil der Anlage befand. Eine Hauptachse, die vom Kloster aus in Richtung Osten führte, wurde von zwei Querachsen geschnitten, die den Garten in sechs asymmetrische Abschnitte teilten. In der östlichsten Kreuzung befand sich ein Springbrunnenbassin, das den Garten mit Wasser versorgte.

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In diesem Gartenteil befand sich das freistehende Salettl. Das einstöckige Gebäude ging vermutlich auf einen Bau aus der Mitte des 16. Jahrhunderts zurück; die um 1803 vorhandene Baustruktur wurde Ende des 17. Jahrhunderts errichtet. Der rechteckige Bau mit einem Walmdach war mit einer aufwendigen Fassadenmalerei geschmückt: Auf rosafarbenem Grund waren zwischen die Fenster ockerfarbene ionische Säulen gemalt, die Fensterrahmen waren ockerfarben umrandet. Das Walmdach trug eine grüne Färbung, um ein Kupferdach zu imitieren. Ein kleiner Anbau auf der Nordseite beinhaltete das Treppenhaus und war mit einem barocken Dachreiter verziert. Das Salettl diente den Äbten als Gartencasino. Es wurde nicht abgerissen und ist seit 1997 wieder im Zustand von 1803 zu sehen. Es dient heute als Tagungsgebäude der Fachhochschule.

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Der gesamte Westteil der Anlage wurde von einstöckigen Wirtschaftsgebäuden bestimmt. Direkt an das Westportal der Stephanskirche schloss sich die noch heute vorhandene Brauerei an. (Dass Weihenstephan, wie die eigene Werbung gerne behauptet, die älteste Brauerei der Welt sei, ist historisch nicht haltbar.) Um 1803 gab es vermutlich zwei Portale auf der Südseite, die mit Pilastern und Sprenggiebeln versehen waren. Die Fassade war bis auf einen mittig angebrachten Dachgaubenaufzug ungegliedert. In den weiteren Ökonomiegebäuden, die optisch der Brauerei ähnelten und vermutlich ziegelgedeckt waren, befanden sich unter anderem die Bäckerei, Fleisch- und Sattelkammer, eine Schmiede, die Meierei und verschiedene Stallungen sowie Lagerräume.

Am südöstlichen Ende der Wirtschaftsgebäude, nahe dem Eingang zum Klostergarten, befand sich die kleine Magdalenenkapelle, die noch heute vorhanden ist. Sie ist ein quadratischer Zentralbau, der damals ein ziegelgedecktes Zeltdach besaß. Das heutige Zwiebeldach entspricht nicht der historischen Bausubstanz. Die Kapelle wurde 1987 wieder in einen Andachtsraum verwandelt, nachdem sie jahrelang als Waschhaus der Brauerei gedient hatte.

(Und ich Depp habe vergessen, sie zu fotografieren.)

Literatur (Auswahl):

Feuchtner, Manfred/Koschade, Gerhard R.: „Kirchen und Grabdenkmäler der Freisinger Kollegiatstifte St. Andreas und St. Veit und der Benediktinerabtei Weihenstephan“, in: Glaser, Hubert: Das Grabsteinbuch des Ignaz Alois Frey, Regensburg 2002, S. 135–156.

Gentner, Heinrich: Geschichte des Benedictinerklosters Weihenstephan bey Freysing. Aus Urkunden angefertigt, München 1854.

Gleixner, Sebastian: „Ein Puzzlespiel: Die Rekonstruktion des Klosters Weihenstephan aus den Quellen“, in: Schegk, Ingrid (Hrsg.): Weihenstephan 4D – vom Kloster zum Campus. Versuch einer Rekonstruktion, Freising 2003, S. 73–141.

Goecke, Michael: „Weihenstephan als traditionsreiche Ausbildungsstätte“, in: Schmidt, Erika/Hansmann, Wilfried/Gamer, Jörg (Hrsg.): Garten, Kunst, Geschichte. Festschrift für Dieter Hennebo zum 70. Geburtstag, Worms 1994, S. 226–228.

Kaiser, Alfred: „Gestalt und Ausstattung der ehemaligen Benediktinerstiftskirche Weihenstephan bei Freising“, in: Amperland. Heimatliche Vierteljahresschrift für die Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck 26 (1990), S. 544–553.

Schegk, Ingrid (Hrsg.): Weihenstephan 4D – vom Kloster zum Campus. Versuch einer Rekonstruktion, Freising 2003.

Schuster, Karl: „Weihenstephan. Geschichte und Gegenwart“, in: Bayerland 57 (1955), S. 394–397.

Seidl, Alois: „Das Salettl. Die Keimzelle der Fachhochschule Weihenstephan“, in: Amperland. Heimatliche Vierteljahresschrift für die Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck 34 (1998), S. 281–284.

Trottmann, Helene: „Die zerstörte Korbinianskapelle in Weihenstephan und ihr Bilderschmuck von D. C. Asam“, in: Jahrbuch des Vereins für Christliche Kunst in München 14 (1984), S. 81–90.

„Und, Anke, wie war so dein viertes Semester?“

(Erstes, zweites, drittes Semester)

Ich hatte mir vom Studium erhofft, dass ich nach sechs Semestern mit einem Diplom in der Hand da stehe und sagen kann: „Jetzt weiß ich alles.“ Inzwischen habe ich gelernt, dass ich nichts weiß, und je länger ich an der Uni bin, desto stärker wird dieses Gefühl. In jedem neuen Kurs habe ich plötzlich Dinge, Orte, Zeitläufte, Kunstwerke, Personen und ihre Aktionen vor der Nase, von denen ich noch nie gehört hatte, und meine Allgemeinbildung, die ich immer für eine recht gute gehalten habe, winkt hilflos aus der Ecke und zuckt die Schultern. Je mehr ich lerne, desto mehr merke ich, was ich noch alles lernen muss. Aber: Was ich im ersten Moment als einschüchternd empfand, entpuppt sich langsam als eine wunderschöne Lebensaufgabe. Ich weiß nichts – aber ich kann noch so viel lernen. Allerdings nicht in sechs Semestern.

Ich habe gelernt, dass ich manchmal etwas vorschnell in meinen nöligen Urteilen bin. (Was mich leider nicht davon abhält, sie trotzdem zu fällen.) Ich quengelte am Anfang des Semesters über den Dozenten, bei dem ich schon mal eine Vorlesung hatte, die ich als seeehr zääääh empfunden hatte und schob das auf seine Sprechweise. Die hat sich nicht geändert – aber mein Wissensstand. Inzwischen weiß ich nämlich, dass der Herr einfach sehr genau auf jedes Kunstwerk eingeht, jeden Schwung einer Initiale beschreibt, jede Fingerhaltung einer Majestas Domini im Vergleich zu einer anderen, jede Dekoration, die sich am Rand einer alten Buchseite befindet, jeden Ziegel, jedes Kapitell, jedes alles. Was ich im ersten Semester als Neu-Studi als zäh empfunden habe, empfinde ich jetzt als hingebungsvoll und exakt und es ergänzt mein bisheriges Wissen um eine Ebene, die es bisher nicht hatte und im ersten Semester nicht haben konnte. Ich habe innerlich reuig Abbitte geleistet und in der Evaluation eine Lobeshymne verfasst – auch um mein Gemecker aus dem ersten Semester wieder gutzumachen.

Ich habe gelernt, auf Twitter vielleicht mal die Klappe zu halten. Nach meiner spannenden Geschichtsübung zu Ludwig dem Bayern tönte ich rum, dass ich mit meinem bisherigen Wissen locker Leute eine Stunde rund um den Marienplatz führen könne – was drei Damen beim Wort genommen haben. Und so musste ich mir an einem ansonsten freien Wochenende eine kleine Tour zusammenbasteln und zeigte dann Frau Kaltmamsell und Frau Donnerhallen „mein“ München (Frau Mellcolm war leider erkrankt). Wir begannen am Isartor, wo ich über die zweite Stadtmauer Münchens sprechen konnte, zu der das Tor gehört, ich erwähnte die Fresken aus dem 19. Jahrhundert, die kunsthistorisch leider nix hergeben, aber – wenn Sie vorbeikommen, achten Sie mal drauf: Am linken Rand sieht man die MünchnerInnen noch hektisch das Stadttor schmücken, damit Ludwig als Sieger der Schlacht von Mühldorf einreiten kann. Wo wir schon im 19. Jahrhundert waren, konnte ich generell über Ludwig I. sprechen und seine Architekten von Klenze und von Gärtner, die für meine Lieblingsplätze in München verantwortlich sind.

Dann gingen wir zum Alten Rathaus, wo neben Ludwig noch Heinrich der Löwe als Statue zu sehen ist, bei dem ich auf meiner niedersächsischen Herkunft rumreiten konnte und den Damen die Welfen näherbrachte. (Und die Welfenspeise.) Am Alten Hof sprach ich über das Reisekönigtum und dass der Alte Hof eine der ersten festen Residenzen war, auf dem Marienplatz erwähnte ich, dass Ludwig dafür gesorgt hatte, dass der Platz heute noch so weiträumig ist wie damals vor 700 Jahren, denn er verfügte, dass er nicht bebaut werden solle, woran sich lustigerweise alle bis heute halten. Außerdem konnte ich über die Stadtfarben Münchens sprechen (schwarz und gold), die nur deswegen so aussehen, weil Ludwig Rom ärgern wollte, dessen Stadtfarben ebenfalls schwarz und gold waren.

Zum Abschluss wollten wir in die Frauenkirche, in der Ludwig bestattet liegt, aber ich Hirn hatte nicht daran gedacht, dass Kirchen irgendwann ihre Tore schließen. So standen wir auf den Stufen vor dem Eingang und ich zeigte mein liebstes Kunstwerk in der Kirche, den Schmerzensmann links vom Altar, stattdessen auf meinem iPhone rum, erklärte den Unterschied zwischen Schmerzensmännern und Ecce-Homo-Darstellungen und erläuterte Hallen– und Saalkirchen, Zentralbauten und Basiliken. Mir hat die Tour sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, die Damen hatten auch was davon. Und meine Dozentin, der ich davon erzählte, amüsierte sich ebenfalls.

Die Stadtführung war leider fast meine einzige extrakurrikulare Aktivität. In diesem Semester habe ich nur einen Vortrag besucht und nur einen einzigen Tag zum Spaß in der Kugi-Bib gesessen. Ansonsten war ich stets mit Zeug beschäftigt, für das es Noten bzw. ECTS-Punkte gab. Ich schiebe es ein wenig auf die WM und das Filmfest, aber das hat mir mittendrin des Öfteren gefehlt, dieses ziellose Rumblättern in Regalmetern oder das Kennenlernen von Sichtweisen außerhalb meines Stundenplans. Ein Vorsatz fürs Wintersemester wäre natürlich, das wieder in den Zeitplan einzubauen, aber das Semester wird leider noch arbeitsintensiver als das vergangene, denn es ist quasi mein letztes Semester, in dem ich noch Kurse und Vorlesungen besuche – im sechsten sollte eigentlich nur noch die Bachelorarbeit anstehen. Mal sehen, ob ich das schaffe, denn statt fünf Semestern Geschichte habe ich ja nur drei, in die ich die Pflichtkurse von fünf quetschen muss. Wobei die Kurse nicht das Problem sind, sondern die Hausarbeiten, für die ich in den Winterferien lausige acht Wochen Zeit haben werde. Und vier Hausarbeiten zu jeweils 30.000 Zeichen in acht Wochen – das wird selbst für mich Schnellschreiberin sehr eng.

Ich habe gelernt, dass in der Heraldik das Winterfell eines sibirischen Eichhörnchens eine Rolle spielt, dass es in Bayern diverse Klöster gibt, die noch viel zu wenig erforscht sind, dass die Fotografie nicht meine liebste Kunstgattung ist oder sein wird (immerhin eine, die ich von der Liste streichen kann), dass ich, wenn ich mich etwas anstrenge, mittelhochdeutsche Urkunden lesen und verstehen kann und dass überhaupt das Mittelalter eine sehr spannende Zeit ist. So spannend, dass ich dringend mehr über sie wissen will – und voraussichtlich auch meine Bachelorarbeit über sie schreiben möchte.

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Ich habe gelernt, meine Prüfungsordnung besser zu lesen. Nach vier Semestern habe ich es zum ersten Mal geschafft, einen falschen Kurs zu belegen. Okay, ganz falsch war er nicht, aber er bringt mir keine Punkte. So habe ich mich viele Dienstage lang um 6 Uhr aus dem Bett gequält, um um 8 Uhr (s. t.) am Gasteig zu sitzen und italienische Vokabeln und Grammatik zu pauken. Italienisch ist eine sehr schöne Sprache, aber jetzt, wo ich weiß, dass ich sie nicht lernen muss, werde ich das auch nicht weiter tun. Scusi. Aber danke dafür, dass ich meine Opernarien im Gesangsunterricht ein winziges bisschen besser verstehen und aussprechen kann.

Ich habe gelernt, dass ich im wissenschaftlichen Arbeiten inzwischen einen ähnlichen Anspruch an mich habe wie in meinem Brotberuf (der hoffentlich nicht mehr allzulange mein Brotberuf ist). Dieser Anspruch hat dafür gesorgt, dass ich in allen Referaten in diesem Semester ausgezeichnete Noten bekommen habe und ich hoffe, dass das dieses Mal auch endlich bei den Hausarbeiten klappt, denn da war ich bisher nie besser als 1,3. (Knurr.)

Das Blöde ist, dass ich diesen Anspruch inzwischen auch an meine KommilitonInnen habe. Das heißt, mich nerven schlecht vorbereitete Referate mehr, als sie sollten. Mich nervt es, Handouts mit Rechtschreibfehlern zu bekommen oder Handouts über fünf Seiten (braucht kein Mensch) oder Handouts mit einer einzigen Literaturangabe (geht’s noch?) oder überhaupt kein Handout. Es sollte mir egal sein, ich kriege ja keine Note auf die Referate anderer Leute, aber da sie ein wichtiger Bestandteil der Kurse sind, würde ich mir wünschen, dass sie einen gewissen Standard hätten. Klar, das lernen wir alle noch, dafür sitzen wir ja hier, aber nach vier Semestern hoffe ich allmählich auf mehr.

Und ja, ich weiß, das hört sich scheiße-großkotzig an. Das kann und will ich nicht ändern.

Ich habe ein Word-Dokument angelegt, in dem ich Ideen für die Bachelorarbeit sammele.

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(Und eine Autokorrektur bei Tweets. #lasttweeTTTT)

Ich habe zum ersten Mal in einer Kunstgalerie gestanden und mit meinen Kommilitoninnen darüber gestritten, ob jetzt Cy Twombly oder Silvia Bächli „besser“ ist. Ich habe Beuys verteidigt, ich habe Barnett Newmann als Referenz herangezogen, ohne darüber nachzudenken, ich habe über die Romantik und Caspar David Friedrich diskutiert, ich habe in Ausstellungen im Kopf Verbindungen hergestellt, ohne es darauf anzulegen, ich sehe anders, ich spreche anders über Kunst, ich gucke sie anders an als vor vier Semestern. Ich hatte zum ersten Mal im meinem Studium das Gefühl, fundiert über Kunst sprechen zu können, und zwar in der Galerie zwischen lauter Bächlis. Das war ein sehr großartiger Moment und ich hoffe, er kommt noch mal wieder.

Ich habe gelernt, dass ich am liebsten irgendwo alleine inmitten eines Bergs von Büchern und Aufsätzen sitze und aus diesem Berg ein kleines, überschaubares Häufchen mache, das ich dann meinen KommilitonInnen und DozentInnen präsentiere. Mir machen Referate sehr viel Spaß und ich freue mich das ganze Semester über auf die Hausarbeiten, weil ich da endlich schreiben kann. Ja, natürlich mag ich auch die Seminare und Vorlesungen, aber so richtig, richtig gerne sitze ich eben zwischen Büchern und lese und schreibe. Gibt es dafür irgendeine Berufsbezeichnung, die ich anstreben kann?

In diesem Zusammenhang: Ich fühle mich beim Studieren nicht mehr wie 20, aber beim Nachdenken darüber, was nach dem Studium passiert. Na super. Ich dachte, das hätte ich alles längst hinter mir. Ganz toll gemacht, Gröner.

Und noch mal in diesem Zusammenhang: Wenn ich nicht innerhalb des nächsten Jahres eine weitere Sinnkrise kriege – also so eine wie die von vor drei Jahren, die dafür gesorgt hat, dass ich gerade den Bachelor mache –, dann mache ich ab WS 2015 den Master. Das macht alles viel zu Spaß, um jetzt schon damit aufzuhören.