Die Asamkirche in München

Nach einem Termin bei meiner Ärztin schlenderte ich die wenigen Meter zur Asamkirche, die eigentlich St. Johann Nepomuk heißt, aber außer vielleicht von Kunsthistoriker_innen (hust) nicht so genannt wird. Barocker wird’s in München nicht mehr, wie man an den Bildern erahnen kann. Ich glaube, jede/r Münchner_in schleppt Besuch von auswärts in diese Kirche, weil sie so einzigartig ist. Sie ist ziemlich klein für das, was alles an Deko in ihr drin ist, und überwältigt beim ersten Ansehen völlig.

Mich überwältigt sie immer noch, und ich habe auch immer noch nicht alle Details gesehen, weil mein Kopf irgendwann nach der klaren Romanik wimmert und nach Hause möchte.

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Wenn man die Sendlinger Straße entlanggeht, fällt die Kirche kaum auf. Sie ist ziemlich schmal, und auch wenn die Fassade hier ordentlich vor sich hinbarockt (ein Schwung hier, einer da, ach komm, ich lass die Mauer noch mal vor- und zurückspringen, hier noch einen Pilaster, dort noch ne Säule, oh hey, ich hab noch Platz für ein Motivfeld, wo-hoo, und JETZT dengele ich noch Ornamente dran), sieht sie im Straßenbild längst nicht so bombastisch aus wie das Foto vermuten lässt. Vielleicht auch, weil sie nicht frei steht, sondern direkt von Gebäuden umschlossen ist.

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Nach einem kleinen Vorraum, der durch ein Gitter vom Hauptraum abgetrennt ist, steht man dann drin. Und so sieht’s in Richtung Altar aus. Vielleicht mal hinsetzen und gucken? Zum Beispiel, wo eigentlich das Licht herkommt. Einmal durch das große Fenster über dem Altarraum. Aber dann scheint es auch hinter dem oberen Sims hervor, ohne dass wir sehen können, wo genau es herkommt. Das ist mein Lieblingserstaunen in barocken Kirchen – die Lichtführung.

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Noch toller ist es, wenn wir uns wieder in Richtung Ausgang drehen und nach oben schauen. Über dem Gitter, das ich eben erwähnte und das natürlich auch ein winziges bisschen verziert ist, beginnt das Emporengeschoss. Gegenüber vom Altar ist ein zweites Fenster, und das Licht, was hier hereinscheint, finde ich sogar noch effektvoller. Das pastellige Deckengemälde sieht noch weicher aus, die goldenen Ornamente scheinen zu leuchten. Und gestern war nur ein diesiger, grauer Tag. Stellt euch das mal bei richtigem Sonnenschein vor.

Die Wand im Emporengeschoss ist natürlich nicht plan – wir sind schließlich im Barock –, sondern durch unter anderem Halbsäulen und Motivfelder unterteilt. Das heißt, das Licht scheint nicht einfach so banal auf eine Wand, sondern wird durch die Wandgestaltung modelliert. Es entstehen Schattenkanten, die die Wand effektvoll aufteilen.

Hier sieht man auch die Balustrade ganz hübsch. Die ist nicht gerade, sondern geschwungen und springt dazu auch noch manchmal nach vorne, wie hier mit dem kleinen Motivfeld unter der Säule im Emporengeschoss. Dieses Vor- und Zurückspringen ist das simpelste Unterscheidungsmerkmal zur Renaissance. Jene Fassaden haben zwar auch schon Säulen und Pilaster und Zeug, sind aber relativ aufgeräumt. Der Barock, die ADHS-Epoche der Kunstgeschichte, kann nie seine Einzelteile stillhalten und hüpft dauernd hin und her.

Mir ist nach den Dutzenden von Kirchen, die ich mir in den letzten Jahren angeguckt habe, aufgefallen: Ich schaue gerne nach hinten zum Ausgang. Dass der Altar vorne was von mir will, ist ja klar. Aber ich finde es viel spannender zu sehen, was im hinteren Teil der Kirche passiert, dort, wo die Raummodellierung beginnt, die ich vorne sehe und spüre.

Aber ich gucke auch bei Autos lieber die Heckpartie an. Front kann ja jeder.

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So geht das Emporengeschoss weiter. Die Vorhänge, die unter dem runden Fenster und auf der Balustrade hängen, sind nicht aus Stoff, sondern aus bemaltem Holz. Mein Lieblingsdetail hier sind die goldenen Girlanden, die farbig in den Marmorpilastern wieder aufgegriffen werden, fast wie ein heller Schatten.

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Der Nachteil an Barockkirchen: Man kriegt nie alles aufs Bild, was man haben möchte. Hier musste ich mich zwischen den Engelsflügeln entscheiden und dem Jesus, der ganz oben unter der Kirchendecke hängt. Ich habe den Heiland ganz gelassen und die Flügel etwas beschnitten.

Über Plastiken

„Die Plastik ist das formgewordene Körpergefühl des Menschen. Der seinen Leib verneinende, nie sich als machtvoll empfindende gotische Mensch konnte dreidimensionale Freiplastik nicht kennen. Das Gebäude, das er seiner Sehnsucht geschaffen, die Kirche, erlaubte es ihm nicht. An die Pfeiler schützend gelehnt, bildmäßig dem Schnitzaltar eingereiht und dem Tympanon, kollektiv am Portalgewände in lehrender Versammlung, dienen sie demütig ohne eigenes Leben. Sie begrenzen einen gestalteten Raum, der Hauptsache ist, Ausdruck für das unstillbare Streben nach Auflösung der eigenen Persönlichkeit, Entmaterialisierung, Einswerdung mit Christus in der Kontamplation, in der Ekstase.“

Kuhn, Alfred: Die neuere Plastik. Von 1800 bis zur Gegenwart, 2. Aufl. München 1922, S. 107.