„Von seiner Kunsthandelstätigkeit kannte er sich in der Kunst gut aus. Nur die Neuesten, die Impressionisten, die kannte er noch nicht. Er setzte also bei Millet an, dort fand er den schweren, dunklen, festen Klang der Erde und die der Erde zugewandten Gesten in den Menschen. Ihn zieht das Sein der Dinge an, das Beredte ihres stummen Daseins. Als er 1882 das Landschaftsmalen zum erstenmal versucht, da denkt er gar nicht an Bild, Dekor oder Erscheinung, da kommt es ihm an „auf die ernorme Kraft und Festigkeit des Terrains“. Das war sichtbar zu machen. Und nun stürzt er sich mit dieser wilden, religiösen Inbrunst, die ihm immer eigen war, auf die Dinge. Nichts da von peinture und sorgsamem Umgang mit den Mitteln, Hauptsache blieb die Wahrheit von den Dingen. Da drückt er „Wurzeln und Bäume direkt aus der Tube und modelliert mit dem Pinsel. Ja, nun stehen sie, wachsen, wurzeln mit Kraft“. Wunderbare Einsichten kommen ihm da, Worte von tiefster Wahrheit, „wenn man wachsen will, dann muß man sich in die Erde senken“, schreibt er 1883 an Théo. Und so gräbt er sich ein, immer auf der Suche nach den Bildern, die in den Dingen und zugleich hinter ihnen liegen, die ihr Sein bestimmen, ihre ausgeformte Wahrheit. Und wie er sich in die Dinge gräbt, so gräbt er sich in die Gesichter der Elendsbauern um ihn, zeichnet wie besessen, um, wie er sagt, den „Typus“ zu finden, das, was hinter dem Einzelnen liegt, die große Maske des menschlichen Schmerzes.“
Haftmann, Werner: Malerei im 20. Jahrhundert, 6. durchges. Auflage, München 1979, S. 26.