Über Dinge und ihre Bedeutung

„256

Morgens kommt der Pfleger und fragt, was ich trinken möchte. Was ich trinken möchte? Ich sage: Kaffee. Ich sage immer Kaffee, Wasser steht ja auf dem Nachttisch. Abends trinke ich Tee.

257

Ich muß nur liegen. Ich muß nur liegen und ab und zu behaupten, ich hätte meine Temperatur gemessen. Jeden Morgen erfinde ich eine Zahl, ich bin längst viel zu faul, mir das Fieberthermometer tatsächlich in die Achselhöhle zu klemmen. Und ich denke, eigentlich, eigentlich bin ich gern hier. Das Krankenhaus befreit von vielen Dingen, die sonst so ungeheuer wichtig scheinen.

Vielleicht bin ich schon zu lange hier.

258

Zwei oder drei Stunden starre ich die glasgraue Wasserflasche auf dem Nachttisch an. Ich mag ihre Silhouette, ich mag ihre Banderole aus Papier. Stolz sieht sie aus, die Flasche. Ich glaube, sie leuchtet.

Und ich merke, es ist gar nicht so schwer, die Dinge so lange anzuschauen, bis sie etwas ganz anderes bedeuten. Allerdings weiß ich nicht unbedingt, was.“

Wagner, David: Leben, Reinbek bei Hamburg 2013, S. 271/272.