Morgen im Iconic-Architecture-Seminar über den Saadiyat Cultural District in Abu Dhabi gesprochen und uns die Gebäude einzeln näher betrachtet. Das Referat dauert fast eine Stunde, was bei fünf Gebäuden auch völlig in Ordnung war. Wir besahen uns die Entwürfe für das Guggenheim Abu Dhabi von Frank Gehry, das Performing Arts Centre von Zaha Hadid, Norman Fosters Zayed National Museum, das Maritime Museum von Tadao Ando sowie das einzige Gebäude, das so gut wie fertig ist: den Louvre Abu Dhabi von Jean Nouvel. Danach waren wir erstmal platt und sprachen von Overkill und wer braucht das und wer soll da hinfliegen und was ist das für ein irrwitziger Plan dieses einen Herrschers, aber der Dozent gab einen, O-Ton, ketzerischen Punkt in die Diskussion: Wir sollten mal an eine bayerische Provinzstadt Anfang des 19. Jahrhunderts denken, wo ein Monarch eine Prachtstraße bauen ließ, die länger war als das komplette mittelalterliche Stadtgebiet, an der Gebäude standen, für die es noch keinen Zweck gab, ein Museum auf der grünen Wiese, dessen Inhalte noch zusammengekauft wurden, einen Stadtteil für Menschen, die noch gar nicht in der Stadt waren, und ein architektonisches Gebilde, das in der Achse zu zwei Schlössern stand und von zwei weiteren Museen begleitet wurde, die größtenteils mit seinen eigenen Artefakten bestückt wurden.
Well played, Dozent, well played. Wir warten also brav auf die weitere Entwicklung und sind nicht mehr so vorschnell mit unseren Urteilen.
Danach fuhren wir zur BMW-Welt und beschauten uns die wenige Iconic Architecture vor unserer Haustür. Bereits im Wettbewerb wurden die Architekt*innen aufgefordert, das Gebäude so zu gestalten, dass es zum Olympiastadion passt, das in unmittelbarer Nähe steht. Das war mir noch nie aufgefallen, wie gut die beiden Gebäude harmonieren – vermutlich genau deshalb.
Ich mag an der BMW-Welt den in sich verdrehten Kegel sehr gerne und lernte, dass jedes der Dreiecke einzeln angefertigt wurde und sich angeblich keine zwei gleichen an der Fassade befinden. Da wäre ich mir spontan jetzt nicht so sicher, und auch die Referentin wagte einen kleinen Widerspruch zur der von ihr gelesenen Literatur.
Mich faszinierte der Knick, den die Glasfassade an ihrer Längsseite macht, denn er erinnerte mich sofort an den Hofmeister-Knick, der so ziemlich alle BMW-Modelle ziert. Den hatte die Referentin aber nirgends gefunden, vielleicht ist er nur Zufall. (Ein für mich zu großer Zufall.)
Im Inneren besahen wir uns die vielen Menschen, die ihren Neuwagen abholten. Das kannte ich natürlich von Audi, für deren Kataloge ich diesen Text gefühlt ein dutzend Mal überarbeitet habe („ein einmaliges Erlebnis yadayadayada“). Deswegen fand ich es sehr spannend, mal die Außensicht zu haben. Der Dozent sprach von einem „Initiationsritus“: „Sie kommen als normaler Mensch und gehen als Teil einer Gemeinschaft.“ Was uns erst auffiel, als die Referentin darüber sprach: die Abgasentfernung. Die BMW-Welt ist eine einzige riesige Halle, die netterweise nicht so wirkt, weil sie von diversen Blöcken und Brücken durchbrochen wird, aber im Prinzip müsste es überall nach Autoabgasen riechen, weil bis zu 250 Autos am Tag in diese und aus dieser Halle fahren. Das tut es aber durch ein ziemlich ausgeklügeltes Luftleitsystem nicht.
Ich stellt überrascht und innerlich ein bisschen verwirrt fest, dass mich Autos immer noch faszinieren können. Ich dachte, diesen Lebensabschnitt hätte ich hinter mir gelassen, und so überlegte ich seit dem gestrigen Besuch, ob ich vielleicht doch mal wieder in einem Urlaubssemester ein bisschen Geld in der Werbung machen sollte. Aber dann las ich eben den verlinkten Text zur Fahrzeugabholung und dachte, och nee, lass mal. Ich bilde mir jetzt ein, dass ich die Autos gestern als Skulpturen wahrgenommen habe und nicht mehr als überteuerten, überholten Quatsch, den wir dringend mal neu definieren sollten, bevor das Öl alle ist. Da wäre dann der Brückenschlag zu Abu Dhabi, was noch schnell alles an Geld verbaut, bevor es mit der Herrlichkeit vorbei ist.