„Was aber sagte sie[, die Kunst,] nun selbst? Was ist festzustellen? Da ist einmal festzustellen, daß diese ganzen, von außen auf sie einwirkenden Ideen sie überhaupt nicht berührten. Ja, der [zweite Welt-]Krieg selbst und die Situation, die er hinterließ, hatten keinen oder nur einen sehr geringen Einfluß auf sie. Sie wirkten lediglich auf die psychologische Einstellung des Künstlers zur Gesellschaft und zu den Manifestationen des öfentlichen Lebens im negativen Sinn ein.
Vergleicht man diese Jahre mit denen nach dem ersten Weltkrieg, so ist die beharrliche Antwortlosigkeit des schöpferischen Menschen auf das Maßlose der Ereignisse im geschichtlichen Raum erstaunlich und für den inneren Wert dieser Ereignisse vernichtend. Noch der spanische Bürgerkrieg, als organisierter Angriff auf die menschliche Freiheit, hatte eine mächtige Resonanz in der westlichen Künstlerschaft gefunden; der zweite Weltkrieg konnte sie zu keiner Antwort mehr provozieren. Der künstlerische Mensch hatte den Krieg längst hinter sich gelassen, seine Gegenäußerung waren die eigenen Gebilde.
Der Künstler suchte im ersten Weltkrieg noch nach einem Sinn des Krieges und war geneigt, ihn in die Zukunft zu verlegen. Für Franz Marc, der vor Verdun fiel, war der Krieg ein Läuterungsvorgang, und er meinte, „ein Frühling der Kultur müsse der Monstrosität dieser Katastrophe folgen“. Die Briefe dieser ganzen Kriegsgeneration sind voll von Prophetien in die Zukunft hinein, „eine Erfüllung wird sein, irgendwann, in einer neuen Welt“ (Marc). Das Ende des zweiten Weltkrieges sah ein anderes Geschlecht – illusionslos, skeptisch, einsam, hart die Realitäten wertend und nur die Gegenwart und die menschliche Existenz in dieser anerkennend.“
Haftmann, Werner: Malerei im 20. Jahrhundert, 6. durchges. Auflage, München 1979, S. 423/424.