„Die sechziger Jahre waren ein Paroxysmus der Stile, in dessen Verlauf, so will mir scheinen – und auf dieser Grundlage sprach ich überhaupt vom „Ende der Kunst“ –, es allmählich, zuerst durch die nouveaux réalistes und dann durch die Pop-Art, klar wurde, daß Kunst im Vergleich zu den von mir „bloß reale Dinge“ genannten Objekten kein bestimmtes Aussehen aufweisen mußte. Um mein Lieblingsbeispiel anzuführen: Nichts braucht äußerlich einen Unterschied zwischen Andy Wahrhols Brillo Box und den Brillo-Kartons im Supermarkt zu markieren. Die Konzeptkunst hat gezeigt, daß ein Werk der bildenden Kunst nicht einmal ein greifbares visuelles Objekt erfordert. Das heißt, daß sich die Bedeutung von Kunst nicht mehr anhand von Beispielen lehren ließ. Es bedeutete, das Erscheinungsbild betreffend konnte alles Kunst sein und man mußte von der sinnlichen Erfahrung auf das Denken umschalten, um herauszufinden, was Kunst war. Kurz gesagt, man mußte sich an die Philosophie wenden. (…)
Erst als klar wurde, daß alles Kunst sein konnte, war philosophisches Denken über Kunst möglich. Das war der Auslöser für eine wirklich allgemeine Kunstphilosophie. Und die Kunst selbst? Wie stand es mit der „Kunst der Philosophie“ – um den Titel von [Joseph] Kosuths Essay [Art After Philosophy, 1969] zu verwenden, der selbst ein Kunstwerk sein könnte? Wie steht es mit der Kunst nach dem Ende der Kunst, wobei „nach dem Ende der Kunst“ in meinem Diskurs „nach dem Erstehen philosophischer Selbstreflexion“ bedeutet? Wobei ein Kunstwerk aus einem beliebigen Objekt bestehen kann, das als Kunst ins Recht gesetzt wird und die Frage aufwirft: „Warum bin ich Kunst?“
Mit dieser Frage war die Geschichte der Moderne vorbei. Sie war vorbei, weil die Moderne zu sehr lokal beschränkt und zu materialistisch war, da es ihr um Form, Oberfläche, Pigment und dergleichen ging, die alle den Reinzustand der Malerei definierten. (…) Mit dem philosophischen Mündigwerden der Kunst wird das Visuelle (…) unwichtig, ist fortan so wenig relevant für das Wesen der Kunst, wie sich die Schönheit als nicht relevant erwies.“
Danto, Arthur Coleman: Das Fortleben der Kunst, München 2000, S. 35–39.